Bauhaus im KZ

Bauhaus im KZ

© Bildrechte: bik.1

Tor zum KZ Buchenwald.

Weimar, 7. Juli 2024. Das Tor zum KZ Buchenwald bei Weimar mit seinem zynischen Spruch „Jedem das Seine“ ist ein Symbol des SS-Staates. Wenn wir erfahren, dass ausgerechnet dieses von einem Schüler des Weimarer Bauhauses entworfen wurde, dann sitzt der Schock. Nach traditioneller Erzählung wurde die Weimarer Schule des Bauhauses von Linken gegründet und geleitet. Dass die künstlerische Avantgarde, die sich hier in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts versammelte, mit bürgerlichem Unverständnis zu kämpfen hatte und nach kurzer Blütezeit 1933 folgerichtig von den Nationalsozialisten zerstreut wurde.

Tatsächlich ist eine reine Opfer-Erzählung nicht vollständig. Der letzte Bauhaus-Direktor Ludwig Mies van der Rohe versuchte vergeblich, sich indirekt der NSDAP anzudienen, um die Einrichtung zu retten [1]. Die privat nach Berlin (Birkbuschstraße 49 [2]) umgezogene Design- und Architektur-Schule stand zwar bei den Nazis unter Kommunismus-Verdacht, das endgültige Aus kam dann aber im April 1933 mehr zufällig durch einen Logistikfehler zustande [3].

Was aus den Schülern wurde, war sehr unterschiedlich. Dies dokumentiert die Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ vom 9. Mai bis 15. September 2024 an drei Standorten in Weimar. Franz Ehrlich, der das Buchenwald-Tor entwarf (und übrigens auch das Tor des KZ Sachsenhausen), war dort als Häftling, da er Widerstand geleistet hatte. Mit seinen (Zwangs-)arbeiten sicherte er sich das Überleben und machte dann sogar Karriere in der Zentrale des SS-Bauwesens in Berlin-Lichterfelde [4]. Anders der 1938 der SS beigetretene Österreicher Fritz Ertl, der als stellvertretender Leiter der SS-Zentralbauleitung nicht nur den ersten Lageplan für Auschwitz-Birkenau entwarf, sondern auch Vernichtungsöfen [5]. Andere entwarfen Nazi-Wandbehänge, halfen bei der Ausstattung von Propagandafilmen mit oder vertraten ihr Design erfolgreich bei Messen und Ausstellungen. Manch einer wie Fritz Heinze kann eher zum Widerstand gerechnet werden; er machte unter persönlichem Risiko verbotene Fotos von Frauen und Kindern in einem Glashaus in der Ukraine, die am Folgetag hingerichtet wurden. Viele wurden verfolgt und umgebracht wie Tony Simon-Wolfskehl und Robert Lasnitzki oder Friedl Dicker [6]. Manche dienten in Propagandakompagnien der Wehrmacht wie Rudolf Riege. Hannes Meyer etwa emigrierte in die Sowjetunion. Mies van der Rohe ging in die USA, Walter Gropius nach England, als der Erfolg in Deutschland ausblieb.

Was von der Ausstellung haften bleibt ist eine Vielfalt von Lebensentwürfen und Schicksalen. Sie macht auch deutlich, dass die Machtergreifung für die meisten Deutschen kein ruckartiger Vorgang, sondern zwischen 1932 und 1939 gewissermaßen ein schleichender Prozess war, mit dem man sich zu arrangieren suchte.

Hier ist zugleich die Parallele zur Gegenwart, die uns die Ausstellung topaktuell erscheinen lässt. Rechtsradikale Eingriffe ins System könnten häppchenweise erfolgen und schienen dann leichter verdaulich, um der schweigenden Mehrheit gar nicht erst Anlass zu geben, ihr Schweigen zu brechen. Die Verschiebung dessen, was gerade noch akzeptabel erscheint, betrifft nicht nur das System, sondern auch den geistig-moralischen Kompass jedes einzelnen.

6 Aufrufe – 18.07.2024


Literatur & Medien

(AB) Anke Blümm, Elisabeth Otto und Patrick Rössler: Bauhaus und Nationalsozialismus. Katalog zur Ausstellung im Museum Neues Weimar, Bauhaus-Museum Weimar und Schiller-Museum. ISBN: 978-3-7774-4337-9.

(MD) Margarete Droste: bauhaus 1919-1933, ISDN: 978-3-8365-6551-6.


Fußnoten

[1] (MD), S. 494. Später unterzeichnete er Goebbels Aufruf an die Kulturschaffenden zur Unterstützung Hitlers – Ausstellungstafel. 

[2] Heute hängt hier eine Berliner Gedenktafel, vom Bauhaus ist sonst nichts mehr zu sehen. 

[3] (AB), S. 56: Bei einer Hausdurchsuchung wurde nach belastendem Material gegen den liberalen ehemaligen Dessauer Oberbürgermeister Fritz Hesse (DDP, LDPD) gesucht. Fünf Umzugskisten fehlten und die Staatsanwaltschaft ging von bewusster Unterschlagung aus. Tatsächlich waren die fünf Kisten in eine große Kiste umgepackt worden. 

[4] In Auschwitz ließ er die Wohnung des Lagerkommmandanten Karl Otto Koch ausbauen und war stolz auf seine Leistung. Er „arbeitete penibel und detailliert […], um den Lagerkommandanten zufriedenzustellen“ – (AB), S. 79. „Der Grat zwischen Widerstand und Kollaboration war schmal“ – (AB), S. 80. Ehrlich überlebte auch die DDR, wo er als Architekt erfolgreich war. Auch als IM für die Staatssicherheit war er tätig, was zum Erfolg beitrug – wikipedia.org: Franz Ehrlich. Die Ausstellung zeigt neben dem Tor (Nachbau vor dem Schiller-Museum) eine „Sippenwiege“ und Möbel aus dem SS-Falkenhof. 

[5] Ausstellungstafel und wikipedia.org: Fritz Ertl. Ertl wurde 1972 im ersten österreichischen Auschwitz-Prozess angeklagt, aber freigesprochen, da er nicht der „geistige Urheber“ der Gaskammern gewesen sei. 

[6] Ein Verzeichnis findet sich bei (AB), S. 231. 


Beitragsbild: Mirke, 2019. Haus am Horn, Musterhaus der Bauhaus-Schule von 1923 am Rande des Weimarer Parks an der Ilm. Wurde 2019 restauriert als Museum wiedereröffnet.

bik.1   Mirke, 2023.  

21760.4   Mirke, 2024.  


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