Es klingt einfach: Man nehme zwei harmlose Wasserstoff-Atome und verschmelze sie zu einem Helium-Atom, wobei sehr viel Energie frei wird. Mit dieser Energie machen wir Wasser heiß, treiben Turbinen an und erzeugen permanent Elektrizität, nahezu unbegrenzt. Doch was zunächst simpel klingt, entpuppte sich im Laufe der Zeit als immer komplexere und teure Angelegenheit.
Inhalt Teil I: Brennstoffe und Strahlung
Eigentlich war’s doch eine gute Idee
Die Fusion von Isotopen ist effizienter und ergiebiger
Tritium ist knapp, teuer und gefährlich
Erster Reaktor 2028?
Neutronenstrahlung: Wir haben da ein Problem
Am Brutmantel wird noch gestrickt
Bitte noch etwas Öl ins Feuer gießen
Platten sollen Probleme lösen
Die fast vergessene Röntgenstrahlung
Verzögerte und prompte Radioaktivität
Neuartige Legierungen: Weniger Schäden, kurze Halbwertszeiten
Inhalt Teil II (folgt in Kürze)
Möbiusband oder Donut?
Internationale Kooperation
Komplexes Design für den Dauerbetrieb
Mini-Bomben mit Laserzündung?
Bor statt Tritium?
Vakuum, Microwelle und Supraleitung
Wie holen wir die Energie da raus?
Sicherheit
Teure Forschung für zu teure Kraftwerke, die zu teuren Strom liefern?
Und nun?
Zusammenfassung problematischer Aspekte: ➥ Kernfusion: Abschied von Illusionen
Eigentlich war’s doch eine gute Idee ▲
Wasserstoff finden wir in gebundener Form, Wasser (H2O), massenweise in unseren Weltmeeren; knapp würde der Brennstoff also nie. Man müsste diesen „nur“ z.B. mittels Elektrolyse aus dem Wasser gewinnen. Die Verschmelzung der Wasserstoff-Atome fände in einem Fusionsreaktor in größerem Stil statt, es würden schließlich pro Kraftwerk ca. 5 Gigawatt Energie erzeugt und in Strom gewandelt
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Abb. 1: Schematische Abbildung: Protium (Wasserstoff), die Isotope Deuterium und Tritium.
Tatsächlich hat die Fusionstechnik aber ihre Tücken und ob der Preis des Fusionsstroms niedrig sein wird, kann man bezweifeln
Die Fusion von Isotopen ist effizienter und ergiebiger ▲
Wie man auch aus Experimenten an Teilchenbeschleunigern weiß, ist eine Fusion von Wasserstoff-Isotopen
Erster Reaktor 2028? ▲
„Der erste Fusionsreaktor geht in 20 Jahren in Betrieb. Das gilt immer“. Die Fachleute sprechen hier scherzhaft von der „Fusionskonstanten“. In den 1970er Jahren glaubte man kurz vor der Realisierung des Konzepts zu stehen – fehlte nur noch das optimale Design für das magnetische Plasmagefäß. Inzwischen kann man das Magnetfeld im Greifswalder Stellarator 43 Sekunden lang aufrechterhalten, fehlen noch eine bessere Wärmeisolation des Plasmas
Das grundsätzliche Problem: Im Bereich der Plasmaphysik gibt es Nicht-Linearitäten, die eine Skalierbarkeit und Reproduzierbarkeit immer wieder in Frage stellen
Tritium ist knapp, teuer und gefährlich ▲
Anders sieht es leider bei Tritium aus. „Überschwerer Wasserstoff“ oder 3H entsteht in nur sehr geringen Mengen durch den ständigen Beschuss der Stratosphäre mit „Sonnenwind“
Für die Betreiber von mit schwerem Wasser moderierten Reaktoren, Druckwasserreaktoren oder auch Thoriumreaktoren könnte sich der Tritium-Verkauf gerade in der Anfangsphase der Kernfusion zu einem sehr guten Geschäft entwickeln, das zudem durch die militärische Aufrüstung weltweit beflügelt wird
Tritium ist ein Betastrahler, es sendet Elektronen und Antineutrinos aus. Antineutrinos haben nach heutigem Kenntnisstand keine Wirkung auf Mensch und Material. Die Elektronenstrahlung (=Betastrahlung) des Tritiumzerfalls lässt sich prinzipiell leicht abschirmen, schon eine Plexiglasscheibe oder eine Schicht aus Polycarbonat reichen als Schutz. Die Strahlung reicht an der Luft in diesem Fall nicht weiter als acht Zentimeter
Neutronenstrahlung: Wir haben da ein Problem ▲
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Abb. 2: Fusion eines Deuterium- und eines Tritiumkernes zu einem Heliumkern unter Freisetzung eines Neutrons.
In den heutigen Forschungsreaktoren wie dem Stellarator im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) bei Greifswald (Wendelstein 7-X oder kurz W7-X) finden noch keine (signifikanten) Deuterium-Tritium-Verschmelzungen (DT-Reaktionen) statt. In der aktuellen Forschungsphase verwendet man für das Plasma nur Wasserstoff (1H) oder ein Wasserstoff-Deuterium (2H) – Gemisch und will auch keine Fusionen. Wenn es aber richtig losgeht, bekommen die Betreiber ein ernsthaftes Problem. Denn wenn Wasserstoff-Isotope (Ziel ist ja 2H + 3H) fusionieren, werden „überschüssige“ energiereiche Neutronen (n) freigesetzt (Abb. 2, links).
Die energiereiche Neutronenstrahlung aus der Fusion ist für Menschen gefährlich und nur schwer (und teuer) abzuschirmen
Entgegenwirken will man, indem man die Schutzschicht der ersten Wand des Reaktorgefäßes im wesentlichen aus Wolfram herstellt, erklärt Doktorant Timo Thun in Greifswald
Am Brutmantel wird noch gestrickt ▲
Die energiereiche Neutronenstrahlung könnte zugleich Problem und Lösung sein. Es ist geplant, das Fusionsgefäß mit einem Blanket (engl. für Decke oder Mantel) zu umgeben. In diesen Mantel würde z.B. flüssiges Lithium gefüllt
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Abb. 3: Schematisch vereinfachte Darstellung der Reaktionen in einem Fusionsreaktor (gelb) mit Lithium-Blanket (grün). Zur Vergrößerung klicken.
Nun ist Lithium ein relativ seltenes und sehr reaktives Alkalimetall, dass nur unter kritischen Auswirkungen auf die Umwelt gewonnen werden kann und vor allem zur Herstellung von Akkus für E-Autos dringend benötigt wird
Bitte noch etwas Öl ins Feuer gießen ▲
Leider ist die „Verwertung“ der Neutronenstrahlung im Blanket nicht verlustfrei möglich. Das bedeutet, nur ein Teil der Neutronen kann genutzt oder abgeschirmt werden, der Rest (vermutlich 5-10%) „entweicht“
Platten sollen Probleme lösen ▲
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Abb. 4: Lithium ist ein leichtes, weiches, silbergraues, hochreaktives Alkalimetall. Hier gelagert in flüssigem Parafinöl.
Wenn man im Blanket flüssiges Lithium verwendete, könnte dieses zugleich die Aufgabe der Kühlung übernehmen. Außerdem wären eine Wartung, die laufende Tritium-Entnahme und die Entnahme von Fremdstoffen technisch einfacher. Flüssiges Lithium wird allerdings durch die starken Magnetfelder ungünstig beeinflusst, denn das Metall ist ein guter elektrischer Leiter
Selbst das Edelgas Helium, das nach diesem Konzept im ersten Kühlkreislauf zirkulieren soll, bildet unter Neutronenbeschuss übrigens die radioaktiven Isotope 5He bis 8He – meist Isotope mit sehr geringen Halbwertszeiten – die in Lithium zerfallen. Der Fusionsreaktor könnte neben Tritium prinzipiell also auch sein eigenes Lithium erbrüten, dies wird konzeptionell bislang aber nicht berücksichtigt.
Den Forschungsreaktor ITER will man mit Wasser kühlen
Die fast vergessene Röntgenstrahlung ▲
Wer den Betriebsraum des Wendelstein X-7 (natürlich außerhalb des Experimentalbetriebs) betritt, wundert sich über die meterdicke Betonabschirmung. Das deckenhohe und 1,8 Meter dicke Beton-Tor zum Reaktorraum wiegt viele Tonnen und kann auf Schienen bewegt werden
Die „Bremsstrahlung“ ließe sich übrigens selbst bei einer (hypothetischen und ineffizienteren) HH-Reaktion (s.o.) nicht abstellen. Im Gegenteil wären ja für eine Wasserstoff-Wasserstoff-Fusion weitaus höhere Temperaturen erforderlich und damit gäbe es auch mehr Bremsstrahlung
Verzögerte und prompte Radioaktivität ▲
Indem Materialien des Reaktors Neutronen „einfangen“ und zu Isotopen werden, wird bei deren potentiellem radioaktivem Zerfall neben Alpha- und Beta- auch Gammastrahlung frei (verzögerte Gammastrahlung). Atome können durch die Neutronenstrahlung auch direkt „angeregt“ werden, nehmen kurzzeitig ein höheres Energieniveau ein und geben beim Rückfall auf das Basisniveau Gammastrahlung ab (promte Gammastrahlung). Je nach Design, Material und Betriebsbedingungen werden in einem Fusionsreaktor in bestimmten Bereichen 1 bis 10 MW thermische Leistung in Form von Gammastrahlung frei. Dies macht eine gesonderte Kühlung der betroffenen Anlagenteile erforderlich. Die Strahlung kann chemische Bindungen schwächen oder aufbrechen, was sich als „Versprödung“ zusammengefassen lässt, zumindest wird die mechanische Belastbarkeit verändert. Die Materialprobleme „potenzieren“ sich also, da neben Folgen der Neutronenstrahlung noch die der Röntgen- und der Gammastrahlung zu berücksichtigen sein werden.
Mehrschichtige Abschirmungskonzepte sollen dafür sorgen, dass die Gammastrahlung in Bereichen, in denen Menschen arbeiten, auf „ein Minimum“ reduziert wird, z.B. durch Beton- oder Bleiabschirmungen. Besonders stark aktivierte Zonen sollen ausschließlich über Roboter gewartet werden.
Neuartige Legierungen: Weniger Schäden, kurze Halbwertszeiten ▲
Der Umgang mit Strahlung ist eine Herausforderung für die Materialwissenschaften. In den 1990er Jahren wurde beispielsweise ein besonderer ferritisch-martensitischer Stahl entwickelt: Eurofer 97. Auf die übliche Zugabe von Bor wird bei dieser Stahl-Sorte verzichtet, um Versprödung, Spannungsrisse und Quellschäden durch Neutronens und die dann freigesetzte Alphastrahlung („Heliumbläschen“) zu vermeiden. Statt Molybdän, Cobalt, Nickel oder Kupfer werden geringe Mengen an Wolfram, Vanadium und Tantal zugesetzt, um den Stahl zu optimieren. Man vermeidet und reduziert die erstgenannten Elemente, da sie im Neutronenhagel langlebig strahlende Isotope bilden. Wiederholte spezielle Wärmebehandlungen verbessern den Stahl. Der Aufwand hat seinen Preis: Der Spezialstahl für Fusionsanlagen ist 4- bis 8-mal teurer als gewöhnlicher Baustahl mit ca. 650€/Tonne im Juni 2025
Eurofer wird derzeit an Hochflussreaktoren (z. B. in Petten) und im ITER-Kontext – intensiv auf seine Reaktion unter realistischen Bedingungen geprüft
Letztlich führt aber kein Weg am Austausch der verschlissenen Bauteile vorbei, weshalb eine modulare Konstruktion von Reaktorwand und Blanket vorgesehen ist. Dies soll – zusammen mit moderner Robotik – eine leichtere Wartung ermöglichen.
(Wird fortgesetzt)
[1] Zur Erzeugung von 5 Gigawatt-Stunden wären nur rund 60 Gramm Wasserstoff nötig. Diese Angabe basiert auf der Energieausbeute der Deuterium-Tritium-Fusion, bei der pro Reaktion etwa 17,6 MeV (Mega-Elektronenvolt) frei werden, was umgerechnet ca. 2,8 × 10⁻¹² Joule entspricht. Man benötigt also ca. 1,8 × 10²⁶ Reaktionen, um 5 Megawattstunden (das sind 18 Millionen Kilojoule) zu erzeugen. ▲
[2] Professor Markus Roth vom Startup Focused Energy denkt z.B. an das energielastige Recycling von Lithium-Batterien oder Rohstoffen aus Handys oder das „Herausfischen“ von CO2 aus der Atmosphäre. Siehe auch ➥ Klimakrise? Her mit dem ECO Saver! An „Direct Air Capture“ (DAC) denkt auch der Direktor des Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Thomas Klinger, für die zweite Hälfte des Jahrhunderts – n-tv.de: Potenziell unendliche Energie – Brechen mit der Kernfusion „goldene Zeiten“ an? ▲
[3] Experten gehen von 20 bis 36 Cent pro kWh aus, die jahrzehntelangen Forschungs- und Entwicklungskosten sind dabei nicht einkalkuliert – diese trägt der Steuerzahler. bundestag.de: Wissenschaftliche Dienste, Sachstand, Einzelfragen zur Kernfusionsforschung, Kosten und Programme. Wie hoch die Kosten tatsächlich sein werden, kann man erst genauer abschätzen, wenn der Fusionsreaktor DEMO läuft, mit dessen Start 2039 gerechnet wird – wikipedia.org: DEMO. Verlässliche Schätzungen der Kosten für Fusionsstrom kann es natürlich noch nicht geben, schreibt z.B. das Forschungszentrum Jülich. „Daher ist es verfrüht zu behaupten, dass durch Fusion erzeugter Strom mit erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig sein wird“ – zitiert nach n-tv.de: Wettlauf mit der Zeit – Liefern Fusionsreaktoren früh genug „endlos“ sauberen Strom? Ob Fusionsstrom irgendwann tatsächlich wettbewerbsfähig sein kann, sei momentan nichts anderes als eine „milliardenschwere Wette“ – n-tv.de: Wettlauf mit der Zeit – Liefern Fusionsreaktoren früh genug „endlos“ sauberen Strom? ▲
[4] „Langsam“ heißt, die Wahrscheinlichkeit für die spontane Fusion zweier Atome ist niedriger als bei den Wasserstoff-Isotopen. gutefrage.net: Warum wird bei der Kernfusion Deuterium und Tritium verwendet?, wikipedia.org: Wendelstein 7-X, dgp-physik.de: Grundlagen der Kernfusion. ▲
[5] Genauer betrachtet ist schon die Darstellung 1H + 1H => 4He eine simplifizierte Abkürzung. Die Reaktion in der Sonne läuft eigentlich folgendermaßen in mehreren Stufen ab:
p + p -> D + e+ + ve
D + p -> 3He + y
3He + 3He -> 4He + 2p
Erläuterung: e+ ist ein Positron, ve ein Elektron-Neutrino und y steht für Gammastrahlung. (HZ), 13:00 min. ▲
[6] Als Isotope bezeichnet man Elemente mit gleicher Protonen-Zahl aber unterschiedlicher Zahl Neutronen im Atomkern. Bei Wasserstoff unterscheidet man Protium (1 Proton, kein Neutron), Deuterium (1 Proton, 1 Neutron) und Tritium (1 Proton, 2 Neutronen). ▲
[7] In diesem Fall ist „vergleichsweise geringer Druck“ nötig und eine Temperatur von etwa 100 mio Grad reicht aus. derstandard.de: Schlüsselrohstoff Lithium – Ist der Brennstoff für Kernfusion wirklich unbegrenzt vorhanden? ▲
[8] wikipedia.org: Deuterium. Zum Vergleich: Der CO2-Gehalt der Atmosphäre lag im Jahr 2023 bei 419,55 ppm – umweltbundesamt.de: Atmosphärische Treibhausgas-Konzentrationen. ▲
[9] In der Praxis gewinnt man Deuterium aus gewöhnlichem Wasser durch Elektrolyse oder fraktionierte Destillation. 10 Liter Deuterium kosten heute ca. 209 € – sigmaaldrich.com: Deuterium. wikipedia.org: Elektrolyse: Da Deuterium sehr viel langsamer als Wasserstoff an der Kathode zum Mischgasmolekül Deuteriumwasserstoff reagiert, lässt sich Deuterium elektrolytisch anreichern. ▲
[10] Im Plasma treten aufgrund von Turbulenzen unerwartet hohe Wärmeverluste auf, ein zentrales Thema in der modernen Plasma-Forschung. Diese turbulenten Wärmeverluste definieren zugleich die Mindestgröße für einen Fusionsreaktor. JET ist zu klein, ITER wird die notwendige Größe von 6,2 Metern Radius erreichen – (HZ), ab 44:20 min. ▲
[11] (TT). ▲
[12] Z.B. (FG), 25:22 min. Das Folgeprojekt von ITER namens DEMO soll erstmals Fusions-Strom ins Netz liefern. „Experten rechnen frühestens in den 2040er Jahren damit“ – n-tv.de: Plan der neuen Koalition – Kann Deutschland den ersten Fusionsreaktor der Welt bauen? In Großbritannien hat man sich mit STEP ebenfalls das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 eine Anlage in Betrieb zu nehmen – n-tv.de: Wettlauf mit der Zeit – Liefern Fusionsreaktoren früh genug „endlos“ sauberen Strom? ▲
[13] (HZ), 1:02:30 min. ▲
[14] n-tv.de: Plan der neuen Koalition – Kann Deutschland den ersten Fusionsreaktor der Welt bauen?, bmbf.de: Förderprogramm Fusion 2040 – Forschung auf dem Weg zum Fusionskraftwerk. ▲
[15] Beispiele für solche nicht-linearen Wirkungen z.B. im Plasmaverhalten sind: Rayleigh-Taylor-Instabilität, Kelvin-Helmholtz-Instabilität. „An seinem Rand wird das Plasma turbulenter und folgt einem nichtlinearen, chaotischen Verhalten, das mit linearen Gleichungen nicht genau berechnet werden kann“ – olcf.ornl.gof: To predict the impact of removing exhaust heat from the ITER tokamak, researchers call on Titan. ▲
[16] „Jedes Fusionsexperiment kämpft mit Instabilitäten“, sagt z.B. Professor Markus Roth in einem Interview mit n-tv 2023. Das betrifft die langjährigen Forschungen an internationalen Projekten genauso wie die Startups – n-tv.de: Deutsches Energie-Startup – „Wollen Fusionskraftwerk bis 2038 am Netz haben“. ▲
[17] olcf.ornl.gof: To predict the impact of removing exhaust heat from the ITER tokamak, researchers call on Titan ▲
[18] Unter „Sonnenwind“ versteht man den Strom geladener Teilchen, der ständig von der Sonne in alle Richtungen abströmt – etwa 1 Million Tonnen Material pro Sekunde. Er besteht hauptsächlich aus ionisiertem Wasserstoff (Protonen und Elektronen) sowie zu 8 Prozent aus Helium-4-Atomkernen (Alphateilchen). Außerdem enthält er Spuren von ionisierten Atomkernen der Elemente Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Neon, Magnesium, Silizium, Schwefel und Eisen – wikipedia.org: Sonnenwind. In der Biosphäre finden sich ständig ca. 3,5 kg Tritium aus „natürlicher Produktion“, davon zu 99 % in oberflächennahen Schichten der Ozeane, also vergleichsweise sehr wenig. Davon stammt ein erheblicher Anteil noch aus oberirdischen Atomwaffentests der 1960er Jahre – wikipedia.org: Tritium, „Natürliche Herkunft“ und „Verwendung“. ▲
[19] Tritium entsteht in mit schwerem Wasser moderierten Kernreaktoren, Druckwasserreaktoren oder auch Thoriumreaktoren, als bislang eher seltenes, unerwünschtes Nebenprodukt – wikipedia.org: Tritium, „Nebenprodukt der Kernspaltung“. ▲
[20] wikipedia.org: Tritium. Bitte beachten: Halbwertszeit heißt nicht, dass in diesem Fall Tritium nach 24 Jahren vollständig zerfallen ist. Die noch strahlende Menge halbiert sich alle 12,32 Jahre – das heißt sie wird zwar immer geringer. „Weg“ ist das strahlende Tritium aber theoretisch nie. ▲
[21] ingenieur.de: . Gaßner spricht von 24.000-30.000 € je Gramm – (JG110), 32:10 min. Die Preise schwanken sicherlich. ▲
[22] (JG110), 0:50 min. Wollte man den Jahresbedarf an Tritium für einen Reaktor einkaufen, müsste man für die 70 kg nach heutigen Preisen 2,17 Milliarden € „hinblättern“. Um diese Menge aus Lithium im Blanket zu erbrüten, werden etwa 1.867 natürliches Lithium benötigt (das benötigte Lithium-6 ist darin nur zu einem Anteil von 7,5% enthalten). Diese Lithiummenge kostet heute 14.323 € – die Kosten für Anreicherung bzw. Isotopentrennung kommen dazu. ▲
[23] Derzeit sind 303 von etwa 420 Reaktoren weltweit Druckwasserreaktoren (DWR), 47 sind Schwerwasserreaktoren – wikipedia.org: Kernenergie nach Ländern; kernd.de: Reaktortypen zur Stromerzeugung. Isotopentrennung ist aufwendig und teuer, lohnte sich bei den genannten Tritium-Preisen aber dennoch. ▲
[24] Die beim Betazerfall von Tritium auftretende Betastrahlung gilt als relativ energieniedrig. Dagegen reicht die Betastrahlung von zerfallendem Phosphor-32 (32P) etwa 7 Meter weit – wikipedia.org: Betastrahlung, Strahlenschutz. ▲
[25] Als besonders gefährlich gilt die Aufnahme von T2O oder HTO (Tritiumwasser), da Wasser im Körper eine besondere Rolle spielt. Reines Tritium wird überwiegend schnell ausgeschieden, Tritiumwasser aber nicht. Als Risiken gelten die Zerstörung von Zellgewebe, Erbgut, Krebs – wikipedia.org: Tritium, Sicherheitshinweise. Tritium muss für Jahrzehnte weit mehr als luftdicht aufbewahrt werden, denn es diffundiert (durchdringt) selbst Edelstahl- oder Aluminiumbehälter – nucleus.iaea.org: Tritium Transport, Permeation, and Control. ▲
[26] Da die Neutronen elektrisch neutral sind, können sie sehr tief in den Körper eindringen. Beim Zusammenstoß mit Wasserstoff im Gewebe entstehen Rückstoßprotonen, die ihrerseits stark ionisierend wirken, und Gammastrahlung. Die Wirkung ist daher ähnlich wie bei Gammastrahlung, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für Schäden bei gleicher Dosis höher. Zur Abschirmung können Wasser, Polyethylen oder Paraffin helfen. Um Neutronen gänzlich einzufangen, verwendet man anschließend Absorber wie Bor oder Cadmium. Die dabei entstehende Gammastrahlung erfordert wiederum einen Schutz aus Blei oder Beton – weltderphysik.de: Strahlung und ihre Wirkung auf den Organismus. ▲
[27] (TT) – anders als beispielsweise Hartmut Zohm, der fast nebenbei einen illusionären Zeitraum von 50 Jahren als Kraftwerkslaufzeit nennt – (HZ), 39:00 min. Neutronen werden vom umgebenden Material „eingefangen“, es entstehen Isotope mit ggf. abweichenden Eigenschaften. Einige dieser Isotope sind nicht stabil, so dass Alpha-, Beta- und Gammastrahlung frei wird. ▲
[28] Mit „Abklingen“ ist die Phase des radioaktiven Zerfalls bezeichnet, in der die Stoffe ihre Strahlungskraft bis zur „Unbedenklichkeit“ verlieren. Man geht davon aus, dass 10% des Abfalls für 100 Jahre und länger endgelagert werden müssen – n-tv.de: Energiequelle der Zukunft? So funktioniert Kernfusion. ▲
[29] (TT). ▲
[30] n-tv.de: Deutsches Energie-Startup – „Wollen Fusionskraftwerk bis 2038 am Netz haben“. ▲
[31] Ein Kilogramm Wolfram kostet im Block etwa 23,90 Euro, inklusive Versand – de.phongnhaexplorer.com: Wie viel ist Wolfram pro Kilo wert? Wikipedia.org: Wolfram. Wolfram gilt als das „härteste Element der Erde“ – olcf.ornl.gov: To predict the impact of removing exhaust heat from the ITER tokamak, researchers call on Titan, The toughest element on Earth. ▲
[32] Da heißes und flüssiges Lithium hochreaktiv ist und ein hohes Sicherheitsrisiko darstellt, wird auch über eine keramische Lithiumverbindung (Oxid, Carbonat oder Silikat) nachgedacht oder unbewegtes Blei-Lithium. Das Blanket würde dann über einen zusätzlichen Kreislauf aus Helium oder Wasser verfügen müssen, zur Entnahme des Tritiums und zur Kühlung – wikipedia.org: Blanket, Technische Blanketkonzepte.
Wenn Lithium mit Wasser in Kontakt kommt, reagiert es explosionsartig zu Wasserstoff (H2) und Lithiumhydroxid (LiOH). Um die Gefahr einer „Knallgas“-Explosion zu vermeiden, muss Wasserstoff permanent aus dem Blanket extrahiert werden, denn eine 100%ige Freiheit von Luftfeuchte ist nicht erreichbar. Lithiumhydroxid ist eine starke Lauge und greift Metalle an. Auf der Haut kommt es zu schweren Verätzungen. Lithium reagiert aber auch mit dem Sauerstoff der (trockenen) Luft langsam zu Lithiumoxid (Li2O). ▲
[33] Formel: 6Li + 𝑛 → 4He + 𝑇 + 4,8 MeV. ▲
[34] Der Brutmantel für den Versuchsreaktor ITER wird vom europäischen ITER-Team in München-Garching unter maßgeblicher Beteiligung des Forschungszentrums Karlsruhe entwickelt – spektrum.de: Brutmantel. ▲
[35] k-online.de: Szenario 2050: Lithium und Kobalt könnten knapp werden. ▲
[36] kernenergie.technology: Wasserstoffbomben. „Unterhalt“ hier insofern, als dass Tritium eine Halbwertszeit von 12 Jahren, 21 Stunden, 3 Minuten und 36 Sekunden besitzt. ▲
[37] Der Gesamtvorrat von Lithium auf der Erde wird auf gut 29 Mio Tonnen geschätzt – wikipedia.org: Kernfusionsreaktor, Vorkommen und Beschaffung. Lithium kommt hauptsächlich in Australien, Chile und China vor, wobei Chile mit rund 9 Millionen Tonnen die größten bekannten Reserven besitzt – statista.com: Weltweite Reserven an Lithium in ausgewählten Ländern im Jahr 2024. Vgl. auch n-tv.de: Neue Akku-Typen gefragt
Schon 2030 könnte das Lithium für E-Autos knapp werden. ▲
[38] Für das Blanket kommen somit aus den weltweiten Vorräten zunächst nur gut 2 Mio Tonnen Lithium wirklich in Betracht. Prinzipiell könnte man mit den energiereichen Neutronen aus der DT-Reaktion auch das häufigere Lithium-7 (7Li) zerschießen. Dies ist jedoch eine endotherme Reaktion (exotherm = bei der Reakton wird Energie frei, endotherm = zur Reaktion wird Energie benötigt). D.h. ein Teil der Energie, die beim Zerfall von 6Li frei würde, würde für die 7Li-Reaktion verbraucht (zudem entsteht weitere Neutronenstrahlung). Es müsste sichergestellt werden, dass die Neutronen nicht durch die Wandung des Plasmagefäßes verlangsamt werden. Im Blanket müssten energetisch günstige Bedingungen geschaffen und konstant gehalten werden, damit beide Isotopreaktionen koexistieren könnten. Erforderlich wäre ein hochpräzises Zusammenspiel von Materialauswahl, thermischer Regulierung und neutronischer Steuerung.
Die Formeln:
n + ⁷Li → ⁴He + ³H + n′ (-2,5 MeV)
n + ⁶Li → ⁴He + T (+4,78 MeV)
anthrowiki.at: Lithiumfusion.
Zur Anreicherung kennt man das Gasdiffusionsverfahren, Zentrifugenverfahren, Laseranreicherung und die elektromagnetische Trennung. Alle Prozesse verschlingen viel Energie, im Falle von Uran sind es bis zu 2.000 KWh je Tonne (je Verfahren unterschiedlich) – wikipedia.org: Urantrennarbeit. ▲
[39] wikipedia.org: Kernfusionsreaktor, Tritiumbrüten und Neutronenvermehrung. ▲
[40] Die Formel:
9Be + 𝑛 → 4He + 2𝑛 (-1,57 MeV)
wikipedia.org: Blanket, Neutronenvermehrung. ▲
[41] Beryllium gilt als allergiefördernd und seit 2013 als krebserregend – wikipedia.org: Beryllium, Sicherheitshinweise. Das seltene Erdalkalimetall kann je nach Reinheit um die 1.000 €/Gramm kosten – z.B. in Form von Draht (0,125 mm oder 0,25 mm) – institut-seltene-erden.de: Aktuelle Preise von Sondermetallen. ▲
[42] Die Wände der Torushalle in Greifswald sind etwa 1,8 Meter dick und aus boriertem Stahl – wikipedia.org: Wendelstein 7-X. Mehrschichtige Abschirmungen bestehen aus einem H-haltigen Moderator (z. B. 30–50 cm Polyethylen), thermischem Absorber (Bor-doped Polyethylen oder Boron-Carbid-Platten) und Gammaschutz (dickes Blei, Eisenbeton). Erfahrungen mit solchen Aufbauten gibt es in Kernforschungsanlagen oder in medizinischen Einrichtungen, wo je nach Neutronenenergie Gesamtdicken von 50 cm bis mehreren Metern Beton üblich sind. In Greifswald findet man diese Sicherheitsvorkehrungen, obwohl eigentlich keine Fusionsreaktionen geplant sind. Dennoch können diese in geringem Maße auftreten, denn im Bereich der Kernphysik ist alles „statistische Grauzone“ und nicht schwarz-weiß.
Die „Hülle“ um den Torusraum besteht aus Bor-Beton. Das Bor gilt als guter Neutronenabsorber: Durch Neutroneneinfang wandelt sich 10Bor überwiegend zu 7Lithium, wobei allerdings Alphastrahlung freigesetzt wird. Diese kommt im Betonmantel aber nicht weit, es entsteht Wärme. Zu einem geringen Anteil wird im Schutzmantel auch Gammastrahlung freigesetzt, die aber ebenfalls durch die Betonhülle ausreichend abgeschirmt werden soll. Man geht derzeit davon aus, dass das hochreaktive Lithium nur in geringen Mengen entsteht und vom Beton gebunden wird. Ein zweites Lithium-Brut-Blanket würde sich wohl nicht lohnen – wikipedia.org: Neutroneneinfang. ▲
[43] Zeitlich veränderliche Magnetfelder induzieren Wirbelströme, was zu Lorentz-Kräften, Erwärmung und mechanischen Spannungen führt. In flüssigem Lithium – etwa als Blanket in Fusionsanlagen – werden diese Effekte noch stärker: starke Magnetfelder bremsen die Strömung, verändern die Wärmeübertragung und erzwingen aufwändige magnetohydrodynamische (MHD) Designs – greelane.com: Tabelle des elektrischen Widerstands und der Leitfähigkeit. ▲
[44] Für den Transport muss Lithium völlig trocken und luftdicht z.B. in Paraffinöl oder unter Edelgas wie Argon aufbewahrt werden. Gefährlich könnten auch Entladungen statischer Elektrizität sein, daher muss Lithium antistatisch verpackt und der Behälter geeerdet sein. Für die Lagerung wird ein kühler Raum benötigt, es gibt umfangreiche Sicherheitsvorschriften. ▲
[45] Auch diese Keramikplatten „ermüden“ durch den Neutronenbeschuss mit der Zeit. Ermüdung heißt auch hier: Es entstehen Isotope mit anderen Eigenschaften, die teilweise radioaktiv zerfallen und die Ausgangsmaterialien zerstören.
Wenn das Lithium aus der Keramik herausgelöst wird, entstehen stabiles Titandioxid (TiO2) oder Siliciumdioxid (SiO2), ein harter und spröder Isolator. Durch die Neutronenstrahlung können die Platten defekt werden, Helium-Atome können Blasen im Nanobereich bilden und das Material verspröden. Durch Neutroneneinfang können sich ferner Silicium- oder Titanisotope bilden, die nicht radioaktiv sind. TiO2 kann durch Neutronenbeschuss geringe Mengen Vanadium bilden, SiO2 kann lokal Phosphor enthalten. Vanadium kann durch Neutroneneinfang Isotope bilden mit Halbwertszeiten von etwa 6 Sekunden bis 4 Minuten, es entsteht stabiles Chrom. Die Halbwertszeiten der Phosphor-Isotope 32P, 33P und 34P liegen zwischen etwa 12 Sekunden und 25 Tagen, durch Zerfall entsteht stabiler Schwefel. ▲
[46] (JG), 25:10 min. ▲
[47] iter.org: Cooling water. ▲
[48] helmholtz.de: Kernfusion – Der Spätstarter ▲
[49] Üblicherweise wird zur Abschirmung von Röntgenstrahlung ein Element mit hoher Ordnungszahl wie Blei benötigt, daher tragen Radiologen Bleischürzen. Die Röntgenstrahlung aus dem Plasma gilt aber als nachrangiges Problem, da der Torusraum während des Betriebs wegen der Neutronenstrahlung sowieso nicht zugänglich ist. ▲
[50] Grob gesagt: Verdoppelt man die Elektronentemperatur, erhöht sich die Bremsstrahlung um den Faktor 1,41 – (JB), (FC). Im konkreten Fall von 150 mio Grad statt 100 mio wäre also mit einer Zunahme um den Faktor 0,705 zu rechnen. ▲
[51] stahlpreise.eu: Aktuelle Betonstahl- und Schrottpreisentwicklung je Tonne (1.000 kg). ▲
[52] Eurofer ist eine Stahllegierung, die Chrom, Vanadium und Wolfram enthält. Die Halbwertszeiten evtl. durch Aktivierung entstehender Isotope sind vergleichsweise kurz. So kann aus gewöhnlichem Chrom das Isotop 51CR entstehen, mit einer Halbwertszeit von 27 Tagen. Vanadium bildet durch Neutroneneinfang beispielsweise 48V mit einer Halbwertszeit von knapp 16 Tagen – periodensystem-online.de: Das Periodensystem der Elemente online. Wolfram kann zu 187W werden, mit einer Halbwertszeit von etwa 24 Stunden. Es entsteht daraus 188Rhenium mit einer Halbwertszeit von etwa 17 Stunden. ▲
Beitragsbild: Mirke, 2025. Blick in den Stellarator-Raum am Max-Planck-Institut in Greifswald am 17. Januar 2025.
1190.1 Dirk Hünniger, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons, 04.05.2025. ▲
1190.2 Wykis (talk · contribs), Public Domain, via Wikimedia Commons, 04.05.2025. ▲
1190.3 Mirke, Vortrag von Timo Thun in Greifswald, 17.01.2025. ▲
1190.4 OpenStax, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons, 05.05.2025. ▲